Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten F&E Projektes DEZENT, einem Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Fachbereich Informatik und der Fakultät Elektrotechnik an der Universität Dortmund, wird eine neues Versorgungsmodell für elektrischen Strom aus verteilter, regenerativer Energieerzeugung entwickelt [4,5,6,7,8,]. Im Gegensatz zu herkömmlichen Versorgungs- und Regelungskonzepten, bei denen die Energie von oben nach unten (Top-Down) verteilt und der globale Systemzustand zentral verwaltet und analysiert wird, um ein gewisses Maß an unvorhersehbaren Störungen in der Versorgungsleistung systemtechnisch aufzufangen, geschieht in DEZENT die Verteilung und der Abgleich von Energie von unten nach oben (Bottom-Up). In einem solchen Modell stellen verteilte regenerative Energieumwandlungsanlagen (REA) selbst Reserveleistung zur Verfügung und schaffen so den, für eine gesicherte Versorgung notwendigen, Netzausgleich. Um mit der praktischen Unvorhersehbarkeit in den individuellen Anschlussleistungen einzelner REA (Photovoltaik-Anlagen, Windräder, etc. [1]) umgehen zu können, nutzt DEZENT Betriebsintervalle von nur 0,5s Länge (Kleinste realistische Zeiteinheit für „herkömmliche“ Schaltvorgänge). Software Agenten verhandeln innerhalb dieser Intervalle stellvertretend für individuelle Erzeuger und Verbraucher autonom und direkt miteinander und stimmen sich kontinuierlich über Leistungsfähigkeit und Bedarf ab.
Ein derartiges Vorgehen stellt vollständig neuartige Anforderung an das elektrische Netz, was sowohl die Kommunikationsfähigkeit der einzelnen Agenten als auch die Analyse der Betriebszustände des Versorgungssystems betrifft [2,3]. Herkömmliche Analyseverfahren, wie z. B. Lastflussrechnungen sind aufgrund der Vielfalt der zu bewertenden Einspeisekonfigurationen, als auch aufgrund des sehr kurzen Verhandlungsintervalls nur bedingt einsetzbar. Um die Rekonfiguration der Verteilung nach den Verhandlungsergebnissen einzurichten und Störungen bzw. Unfälle im Betriebsablauf (Leitungsüberlastungen, Stromausfälle, Notabschaltungen etc.) zu vermeiden ist eine on-the-fly bzw. on-line Analyse des Versorgungsnetzes unverzichtbar.
Da es sich in DEZENT um ein Realzeit-System mit als kritisch einzustufenden End-to-end Deadlines handelt, ist die verteilte Analyse und Bewertung des Systems in Realzeit besonders wichtig. Im Rahmen dieser Diplomarbeit sollen sowohl klassische Analyse- und Bewertungsverfahren, wie (Betriebs-) Zustandsabschätzung (State Estimation) und die Lastflussberechnung (Load Flow Calculation) [9], als auch neuartige geometrische Verfahren zur Berechnung von stabilen Zustandsräumen, die im Rahmen des DEZENT Projektes entwickelt wurden, auf ihre Eignung für einen verteilten Einsatz hin analysiert und im Anschluss daran parallelisiert/verteilt implementiert werden. Grundgedanke des innerhalb des DEZENT-Projektes entwickelten geometrischen Ansatzes ist, die Freiheitgrade, welche Einspeiser und Nutzer elektrischer Energie an einem Netz haben, als unabhängige Dimensionen eines Raums zu betrachten. Innerhalb dieses Raumes wird eine Hülle extremer Belastungskonfigurationen abgetastet. Befindet sich nun eine zu bewertende Belastungskonfiguration innerhalb dieser Hülle, kann davon ausgegangen werden, dass diese Konfiguration nicht zu Verletzungen von Sicherheitsrestriktionen auf dem Netz führt. Für jeden Bilanzkreis auf der untersten Agentenebene wird zunächst ein Zustandsraum konstruiert (50-100 Knoten), der stabile Knotenkonfigurationen im 0,4kV Netz repräsentiert. Die Versorgungskonfiguration eines solchen Bilanzkreises wird dann über einen einzigen Slack-Knoten „nach außen“ im darüber liegenden 10kV Netz abgebildet und in einem Zustandsraum für alle Knoten im 10kV Netz (20-50 Knoten) bewertet. Dieses Verfahren setzt sich bis auf die 110kV Ebene fort, für die bereits präzise Last-Prognosemodelle existieren [10]. Der Zustand (das Einspeiseverhalten) des Slack-Knotens ist hierbei jeweils über die (verteilte) Lastflussrechnung aus der verhandelten (stabilen) Versorgungskonfiguration zu ermitteln.
Das Parallelisieren bzw. die verteilte Implementierung soll dabei unter Berücksichtigung der in DEZENT entwickelten Verhandlungsalgorithmen integriert erfolgen. Verbunden mit der Implementierung geeigneter Analysemechanismen ist die Frage nach der Komplexität des integrierten Gesamtsystems von besonderer Bedeutung. Hier soll im Rahmen dieser Diplomarbeit eine Abschätzung der Systemgrenzen (Maximale Anzahl zu verwaltender elektrische Akteure, Abhängigkeit der Analysegenauigkeit von der Zahl der Akteure, etc.) erfolgen.
[1] Deutsche Energie-Agentur (dena): Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020, 2005.
[2] TU-Wien, Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (EEG): Endbericht Energiesysteme der Zukunft, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT), Projektnummer 807717, 2005.
[3] European Commision, Directorate-General for Research Sustainable Energy Systems. European SmartGrids Technology Platform – Vision and Strategy for Europe’s Electricity Networks of the Future. Office for Official Publications of the European Communities, 2006.
[4] Horst F Wedde, Sebastian Lehnhoff, Edmund Handschin and Olav Krause. Real-Time Multi-Agent Support for Decentralized Management of Electric Power. In Real-Time Systems, 2006. (ECRTS 2006). Proceedings. 18th Euromicro Conference on, Dresden, Germany, 2006-5-7 July. Euromicro, IEEE Computer Society Press.
[5] Horst F Wedde, Sebastian Lehnhoff, Edmund Handschin and Olav Krause. Establishing Large-Scale Renewable Reserve Capacity through Distributed Multi-Agent Support. In Proceedings of the 5th International Conference on Industrial Informatics, Vienna, Austria, 2007-23-27 July. IEEE Computer Society Press.
[6] Horst F Wedde, Sebastian Lehnhoff, Edmund Handschin and Olav Krause. A Technical and Distributed Management Basis for an Environmentally Clean and Sustainable Energy Supply. In Proceedings of the 21st Conference on Environmental Informatics and System Research, Warsaw, Poland, 2007-12-14 September.
[7] Edmund Handschin, Olav Krause, Horst F Wedde and Sebastian Lehnhoff. The Emerging Communication Architecture in Electrical Energy Supply and Its Implications. In Proceedings CRIS Workshop 2006, Influence of the Distributed and Renewable Generation of Power System Security, Magdeburg, Germany, Dezember 2006
[8] Horst F Wedde, Sebastian Lehnhoff, Edmund Handschin and Olav Krause. Dezentrale vernetzte Energiebewirtschaftung (DEZENT) im Netz der Zukunft; „Wirtschaftsinformatik“ (in Veröffentlichung)
[9] Gerhard Hosemann. Elektrische Energietechnik 3. Netze. Springer Verlag, 2001, 30. unveränderte Aufl., ISBN: 3540673431
[10] Christoph Dörnemann. Betriebsmittelbezogene Lastmodellierung für die Berechnung in Verteilnetzen. 1990, Dissertation, Universität Dortmund 90/147.